2015 Hamburg-München-Tour

Hamburg – München oder 6 heiße Tage im August

Soviel vorweg: Die Tour war heiß – sehr heiß. Während es in der Woche zuvor in Hamburg mehr Nässe als Sonnenschein gab, hatten wir, Klaus und Christian, in der ersten Augustwoche Glück. Eine Woche Radfahren ohne einen Tropfen Regen, mehr geht nicht. Oder doch? – Die Temperaturen kletterten auf knapp 40 Grad. An unserem Ankunftstag in München meldete Kitzingen einen Rekord von 40,6 Grad.

Beim Gepäck hatten wir unterschiedliche Strategien:  Während Klaus sein knappes Gepäck im Rucksack verstaute, packte Christian sein Hab und Gut in zwei Satteltaschen und diese an einen Rennrad-tauglichen Gepäckträger von Tubus. Wir beide waren auch nach gut 800 km mit unserer jeweiligen Wahl zufrieden. Es gibt also kein richtig oder falsch, nur zu viel Gepäck. Und unser Gepäck war vermutlich schwerer als unsere Räder. Aber trotz der Wettervorhersage ganz ohne Regensachen losfahren – dazu fehlte uns der Mut. Und einen Pullover konnten wir zumindest an einem Abend auch gut gebrauchen. Naja, und auch eine Alternative zu den verschwitzten Radlklamotten muss ja sein. Zudem muss man sich an das Fahrverhalten eines Rennrades mit Satteltaschen erst gewöhnen. Dafür sind die Arme bzw. der Hintern nicht so belastet wie beim Rucksack, was Klaus noch in der Folgewoche nur zu deutlich spürte – wunde Sitzhöcker, die langsam verschorften.

Etappe 1:

Am Sonntag trafen wir uns um 8:34 Uhr an der vielen RSG-Blankenese-Mitgliedern vertrauten Fähre von Teufelsbrück nach Finkenwerder. Von dort folgten wir einem Track, den die ADAC-Fahrrad-App (Kosten € 2,99) empfohlen hatte. Eine landschaftlich tolle Strecke, von Finkenwerder durch Neugraben und die Fischbeker Heide, und dann weiter Richtung Süden. Erst über festen Sandweg, dann nicht mehr ganz so festen Weg, dann losen Sand, und dann .. schiebend durch weichen Sand und Wald bis nach – Wilsede (ihr lest richtig – man muss offen sein für neue Erfahrungen) weit ab von geteerten Wegen mitten in der wunderbaren Heide um den gleichnamigen Berg. Der Weg war wunderschön, irgendwie machbar, abwechslungsreich, aber doch eher weniger für Rennräder geeignet – sprich komplett daneben. Zwei wirklich nette Polizistinnen auf Pferden zeigten uns in Wilsede dann den besten Weg, um wieder festen Untergrund (dieses Mal dann Kopfsteinplaster) unter die 23mm-Reifen zu bekommen – Paris – Roubaix ließ grüßen.

Nach einiger Zeit kamen wir dann wieder auf von RTF´s vertraute Wege durch die leicht hügelige Heidelandschaft. Ab hier hatte Klaus seinen eigenen Track erarbeitet, mit  Mapsource, GPSies, viel Zeit und einem geübten Auge zur Interpretation der Wege auf den Karten. Alles dann aufs iPhone-geladen, dies mit Topeak-Halterung an die Lenksäule als Navi montiert, was sehr gut funktioniert hat. Zwar hatten wir noch einen Garmin dabei, aber dieser hing sich gleich hinter Neugraben auf und diente fortan nur noch als Backup, z.B. zur Hotelsuche, und zum Aufzeichnen der Strecke.

Die ersten Kilometer hatten wir sogar leichten Rückenwind und konnten die verlorene Zeit vom Wilseder Berg wieder gut machen.  Nach ca. 180 km haben wir dann in Groß Schwülper in der Nähe von Braunschweig übernachtet. Für die Übernachtung zu empfehlen ist dort die Pension „Deutsches Haus“ mit großen, hellen Zimmern, sehr netten Besitzern und gutem Frühstück. Der Italiener in G.S. machte zwar gutes Essen, aber es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis es kam (knapp 2 Stunden). Ach ja, der Wind hat zum Schluss auf Gegenwind gedreht und blieb für den Rest der Woche auch so (vermutlich kommt die heiße Luft immer aus dem Süden, womit der Hochsommer suboptimal für diese Richtung der Route sein dürfte. Nordwest-Wind wäre hingegen optimal, denn die Tour führt vorwiegend Richtung Süden bzw. Süd-Osten – oder eben bei Süd-Ost-Wind von München nach HH radeln)

Etappe 2

Gut genächtigt und gestärkt ging es weiter in den Harz. Klaus hatte morgens Glück im Unglück, als er auf einer Treppe unglücklich auftrat und mit dem Fuß kräftig umknickte – er konnte weiter fahren. Auch der Platten an seinem Hinterrad nach wenigen Kilometern verleidete zwar den Genuss von Wolfenbüttel, war aber schnell behoben (interessanterweise genau gegenüber einer Autoreifen-Werkstatt – ob die etwas auf den Radweg gestreut hatten????). Der Wind kam nun mit 3-4 Windstärken aus Süd und damit nicht nur aus der für uns falschen Richtung, sondern er war auch zunehmend warm und trocken. Die Trinkflaschen hatten wir ständig in Gebrauch, die Flüssigkeit darin erreichte schnell die Temperatur von gut temperiertem Badewasser, schmeckte auch so und war trotzdem schnell leer getrunken. Die Vision eines kühlen, alkoholfreien Weizenbieres schwebte immer vor uns und trieb uns an.

Die Strecke führte an Braunschweig vorbei und an vielen hübschen Fachwerkhäusern entlang. Danach dann an vielen abgemähten Getreidefeldern, hier war die Landschaft eher langweilig und die Getreidefelder strahlen zudem extreme Wärme zurück, die Luft erschien uns hier besonders trocken.

Richtung Wernigerode wurde die Landschaft dann wieder attraktiver, und wir passierten die erste Gedenktafel zur früheren deutsch-deutschen Grenze. Für uns war es egal, die Anstiege waren auf beiden Seiten der Schilder anspruchsvoll. Das Gepäck machte sich zunehmend bemerkbar bei mehreren kilometerlangen Anstiegen von 10 % und mehr (lt. Garmin bis zu 19%), z.B. nach Drei Annen Hohne und Elend. Nach mehreren „Ost-West Grenzübertritten“ und zeitweisen erholsamen Abwärtsfahrten kam zum Schluss dieses Tages noch einmal ein steiler Anstieg nach Hohegeiss. Der Ort selbst ist zwar nicht gerade eine Perle des Harzes, unser Hotel Sonneneck aber machte seinem Namen alle Ehre und lag wie auf einer Alm mit malerischen Blick auf Brocken und Wurmberg in der Abendsonne. Es bietet – neben alkoholfreiem Weizenbier – ein gemütliches Abendessen draußen vor der Almhütte und ein schönes Schwimmbad im Haupthaus. Nur die 2 Hunde, die sich nachts gegenseitig bekläfften, hinderten uns lange am Einschlafen.

Etappe 3

Nach einem guten Frühstück um 7:15 Uhr ging es, welche Überraschung, ca. 4 km nur bergab – was für ein Gefühl – die ersten 300 km und die 10%er waren in unseren Oberschenkeln deutlich zu spüren. So hätte es weitergehen können, tat es aber natürlich nicht. Auch der südliche Harzbereich hat viele Hügel und Höhen, teilweise auch wieder mit  >10 % Steigung über mehrere Kilometer. Die morgendliche Kühle wich, und mit zunehmender Temperatur von bis zu 30° und südlichem Wind machten uns wieder die vielen Getreidefelder zu schaffen. Nach circa 80 km machten wir Pause in Groß Tennstedt in einem wunderbar schattigen Hinterhof – mit alk.-freiem Weizen – bevor es weiter nach Arnstadt ging, von dem wir zumindest zuvor noch nie gehört hatten – ein sehr hübscher Ort, an dem die Thüringer Bratwurst erfunden worden sein soll, Johann Sebastian Bach lebte und arbeitete, und auch das erste Weizenbier außerhalb Bayern gebraut wurde – damals noch mit Alkohol J. Uns ging es abends jedenfalls wieder gut 🙂 – nachdem wir ca. 1 ½ Stunden auf unser Abendessen im Hotel Prox gewartet hatten. Aber sonst war das Hotel sehr nett, und das Frühstück besonders reichhaltig.

Etappe 4

Für uns Flachländer bemerkenswert war, dass wir ab Harz nie mehr unter 300 Meter über NN gekommen sind (München liegt auf ca. 500 m über NN). Von Arnstadt ging es morgens durch angenehm kühle, nur knapp 20 Grad warme Luft und viele Kilometer abwechslungsreiche, hügelige Landschaft. Ab Ilmenau dann der erste Anstieg in den Thüringer Wald. Uns steckte der Harz noch in den Oberschenkeln, das war aber dem Thüringer Wald egal. In mehreren, wieder kilometerlangen Anstiegen ging es Höhenmeter für Höhenmeter bergauf bis auf ca. 830 m über Normal null – da wurde die Luft schon ganz schön dünn – für uns Fischköppe. Viele Kilometer blieben wir dann auf 750-800 m Höhe, im Wechsel von tollen Abfahrten und vielen Kraft zehrenden Anstiegen.

Unser Weg führte uns durch Coburg (bekannt als Sitz einer großen Versicherung) mit lauschigem Innenstadtlokal und Mittagspause (hier gibt es Penne Bolognese auch in kleiner Portion, liegt nicht so sehr im Magen) vorbei an Kloster Banz, Bad Staffelstein und Bamberg bis an den Main-Donau-Kanal und hier in den Brauereigasthof Kraus nach Hirschaid. Sollte jemand Hirschaid etwa nicht kennen – Hirschaid liegt bei Bamberg, in Franken, NICHT Bayern und direkt am Main-Donau-Kanal. Süffige Getränke aus der hauseigenen Brauerei (nicht notwendigerweise alkoholfrei), zu viel, aber dafür deftig-fettiges Essen im Biergarten und eine erholsame Nacht bei offenem Fenster mit kühler Luft – das stärkte für den nächsten Tag.

Etappe 5

Die morgendliche Weiterfahrt entlang des Main-Donau-Kanals war anfangs echt erholsam. Endlich mal keine Berge, nicht einmal Hügel, dafür aber nur stumpfes vor sich hin Radeln auf befestigten Straßen. Mal links, mal rechts des Kanals. Auf Dauer doch sehr, sehr eintönig. Der Asphalt wurde immer häufiger, dann durchgängig durch Schotter ersetzt, Staub auf allen Wegen. Auf unsere Räder setzte sich eine grau-weiße Staubschicht, und vermutlich auch in unsere Lunge. Durst! Hier war wieder dieses altbekannte Gefühl. Nach 60 km dann ein Einkehrschwung kurz hinter Nürnberg im Biergarten (wie immer – alkfrei :-)), und danach noch einmal ca. 25 km weiter bis Hilpoltstein.

In Höhe Hilpoltstein verließen wir dann (endlich!) den Kanal, verfuhren und verloren uns fast in einem Müttererholungsheim mit vielen Häusern und Sträßchen, das wir laut Track  durchqueren sollten, und fuhren weiter Richtung Süden durch typisch, jetzt aber wirklich bayerische Landschaft. Ganz andere Eindrücke als wie wir sie aus der Heide, dem Harz oder dem Kanal entlang gewohnt waren! Erste Signale, dass München nicht mehr weit entfernt war. Unsere 5. Etappe endete im Altmühltal, im Hotel zum Raben in Kipfenberg – Arnsberg, das uns sehr gut gefallen hat – kühle Getränke, leckeres Essen und nette Menschen J. Trotz noch ca. 35 Grad abends war es im Schatten auf der Terrasse sehr angenehm auszuhalten – dank dem bayerischen Bier –mit oder ohne Alkohol. Schöne Zimmer, kühle Luft, … und gute Nacht.

Letzte Etappe

Um den angekündigten hohen Temperaturen möglichst lange zu entgehen, waren wir auch heute wieder die ersten im Frühstücksraum – etwas zum Missfallen der Wirtsleute, aber sie hatten ja zugestimmt, das Frühstück eine halbe Stunde früher als gewöhnlich zu servieren. Danach rauf auf die Räder und … bergab, welch gutes Gefühl am Morgen… aber zu früh gefreut. Nach nur ca. 600m hieß es, links abbiegen, den Berg hoch,  wieder über 12 % Anstieg auf ca. 2 km Länge. – Egal, auch wenn die Beine seit Tagen schwer sind, München ruft. Nur noch ca. 100 km. Wir wurden mutiger, verließen den von Klaus erarbeiteten Track, der entlang einiger stärker befahrenen Straßen ging, und folgten offiziell ausgeschilderten Fahrradwegen mit der Mutmaßung, die seien sicher landschaftlich schöner und ruhiger. Schöne Sch…. Über ca. 25 km waren dies Schotterwege, aber mit dermaßen weichem Schotter (Kiesbett wäre vermutlich der bessere Begriff), dass wir teilweise lieber abgestiegen sind. Für Rennradfahrer echt gefährlich!

Es wurde zum Mittag nicht nur heißer und heißer, wir kamen – nach einer Getränkepause in Hettenshausen – auch München immer näher. Klaus kannte in Ober-Schleißheim nicht nur das Schloss, sondern auch den zugehörigen schattigen Biergarten. Wir waren am Ziel angekommen. Ein gutes Gefühl es geschafft zu haben! Anstrengende, vor allem trockene Tage lagen hinter uns, aber auch Freude und Stolz, trotz der Hitze das Ziel in der vorgesehen Zeit erreicht zu haben.

Die Nacht haben wir dann in Fröttmaning in der Nähe der manch Hamburger Fußballfan verhassten Arena im gleichnamigen Hotel verbracht – war ganz i.O.

Rückfahrt

Für die Rückfahrt hatten wir die Postkutsche – äh, …  – den Postbus gebucht. Warum? Der Postbus hat den Vorteil, dass er im Gepäckfach zwei Fahrradständer hat, in denen die Rennräder sicher untergebracht sind. Die uns bekannten Alternativen (der ICE nimmt keine Räder mit, oder höchstens mit Trick in der IKEA-Tasche; Hermes holt Räder nur an der Haustür ab und nicht im Paketshop, ….) hatten uns nicht wirklich überzeugt. Also rein mit den Rädern in den Postbus – nachdem wir den Fahrer überzeugt hatten, dass auf der Postbus-Website nicht nur 26“ Räder, sondern auch 28“ Rennräder als Postbus geeignet genannt wurden, und er den Versuch wagte, die Räder in das Radfach hineinzubugsieren – schwierig, aber nicht unmöglich. Start gegen 10 Uhr in München und nach gemütlicher Deutschlandrundfahrt über Nürnberg, Halle, und Berlin gegen 22 Uhr mit den Rädern wieder in Hamburg angekommen. Preislich ist der Bus auf jeden Fall unschlagbar, die Räder blieben heil, und wir hatten ausreichend Muße, unsere Eindrücke in Ruhe aufzubereiten. Noch ein Abschlussbier in der „Linde“ (den Blankenesern wohl gut bekannt :-)), und dann mit dem komischen Gefühl ins Bett, morgen um 8 nicht wieder auf dem Rad sitzen zu müssen (oder vielleicht dürfen?). Am Sonntag als Krönung das Putzen der Räder und Fetten der Kette – staubgraues Rennrad mit quietschender Kette geht ja gar nicht!

Und nun? Von uns aus kann es bald wieder losgehen – solange am Ziel genügend kühles, alkoholfreies Weizen bereit steht.

Der Track: http://www.gpsies.com/map.do?fileId=cmjzfogiheahdfjc&authkey=D6FE612157A7165F2050C97591E9EC703F528934AFB17135

PS: Die genauen Hoteldaten können bei Klaus Taube erfragt werden…

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